Version LV

STAAT
Die stadtrömischen Magistrate


QUAESTOR
AEDIL
PRAETOR
CONSUL

CENSOR
VOLKSTRIBUN

INTERREX
DICTATOR
MAG. EQUITUM
KONS.MIL.TRIB.

DECEMVIRI
DUUMVIRI
QUINDECIMVIRI
QUINQUEVIRI
TRIUMVIRI

PROMAGISTRATE

LAUFBAHN I
LAUFBAHN II
LAUFBAHN III

zurück zur
Magistratsübersicht

zurück zum
Staatsindex

zurück zum Index

Dictator

Die Diktatur war ein magistratus extraordinarius (ausserordentliches Magistrat), das dem Inhaber beinahe uneingeschränkte Machtbefugnisse für eine begrenzte Zeit garantierte, deren Maximum mit einem halben Jahr veranschlagt war. Fiel der Grund für die Ernennung zum Dictator weg und war die Amtszeit noch nicht abgelaufen, so erwartete man von ihm die vorzeitige Rücklegung seines Amtes. Bestrebungen die Amtszeit künstlich zu verlängern tauchen erst mit Sulla auf und werden dann durch Caesar in der Verfassungspraxis umgesetzt. Basis bildete dabei jedoch keine selbstherrliche Eigenmächtigkeit, sondern eine geschickte Formulierung des der Diktatur zugrunde liegenden Auftrages, den man geschickt als nach sechs Monaten eben noch nicht erfüllt ansehen konnte. Es gab allerdings auch einen rechtmässigen Weg die Diktatur im allgemeinen zu verlängern: Man ernannte schlichtweg einen neunen anderen Dictator.

Der Dictator wurde von einem Consul unter ehemaligen Magistraten ausgewählt und vom Senat ernannt, wobei das Gremium ein Vorschlagsrecht hatte, an das sich der Consul jedoch nicht halten musste. Wohl aus religiösen Gründen erfolgte die Auswahl meist in der Nacht zwischen Mitternacht und Sonnenaufgang. Im Sinne der Kollegialität hatte er das Recht sich einen Partner hinzuwählen zu lassen. Darauf wurde stets verzichtet, denn es hätte der Konsularlösung entsprochen, der man mit der Dictatur ja entgehen wollte. Als 216 v.Chr. neben dem amtierenden Dictator im Felde Marcus Iunius Pera ein zweiter zur Ergänzung der Senatslisten nach der zahlreichen Gefallenen in der Schlacht von Cannae nahm der nominierte Marcus Fabius Buteo das Amt nicht an.

Der späteren historischen Tradition nach wurde das Amt 501 v.Chr. eingerichtet, doch dürfte es als Notlösung für Notzeiten bereits seit Anbeginn der römischen Republik bestanden haben. Für dieses Jahr ist nur eine lex de dictatore creando (Gesetz über die Bestellung eines Diktators) bekannt, welche regelt, dass ausschliesslich ehemalige Consuln zum Dictator ernannt werden konnten. Zunächst alleine den Patriziern zugänglich ernannte man 356 v.Chr. mit Gaius Marcius Rutilius erstmals einen Plebejer als Dictator.

Alle anderen im Amt befindlichen Magistrate - somit auch die Consuln und Volkstribunen - waren ihm untergeordnet. Er brauchte nicht nur während seiner Amtszeit niemandem Rechenschaft abzulegen und konnte unabhängig und fast allmächtig seinen Amtsgeschäften nachgehen, sondern war auch nach Ablauf der Dictatur nicht belangbar. Somit gab es gegen Entscheidungen eines Dictators kein Rechtsmittel; allenfalls konnten Anordnungen und neue Gesetze hernach von den regulären Magistraten und Gremien wieder zurückgenommen werden. Trotz der Machtfülle suchten die Dictatoren meist den Ausgleich im Sinne der Verfassungstradition. Wurden von ihm etwa neue Gesetze beschlossen oder alte abgeändert, so war es üblich sich dennoch an die Volksversammlung zu wenden.

Im Gegensatz zu den Consuln konnte er das militärische Kommando auch innerhalb des pomerium (rechtlich-sakrale Stadtgrenze) der Hauptstadt ausüben. Infolge der Aussergewöhnlichkeit des Amtes wurde meist der Grund für die Ernennung festgehalten. Die Palette betraf sowohl innen- als auch aussenpolitische Bereiche und reichte von sakralen Handlungen bis hin zur Übernahme des Oberkommandos in bedrängter Kriegszeit:

Aussenpolitik: rei gerundae causa (Oberste Kriegsleitung)
Innenpolitik: seditionis sedandae causa (Einscheiten gegen innere Unruhen)
Verwaltung I: comitiorum habendorum causa (Wahlleitung)
Verwaltung II: ludorum faciendorum causa (Spielleitung)
Verwaltung III: quaestionibus exercendis (Verfahrensleitung für aussergewöhnliche Gerichtsprozesse)
Religion I: clavi figendi causa (um einen Nagel einzuschlagen - eine Sakralhandlung am Iuppitertempel)
Religion II: feriarum constituendarum causa (Fixierung von Feiertagen nach Vorzeichen)

Ausserhalb dieser Traditionen standen noch legendo senatui (Ergänzung der Senatorenlisten) durch Marcus Fabius Buteo 216 v.Chr. sowie 82 v.Chr. unter Sulla noch legibus faciendis et rei publicae constituendae causa (Neuorganisation von Rechtswesen und Staat).

Trotz der allmächtig wirkenden Befugnisse gab es Beschränkungen, über die sich auch ein Dictator nicht hinwegsetzen konnte. Als einzigen Staatsbereich ausserhalb seiner Kontrolle verblieben aerarium (Staatsschatz) und Finanzwesen dem Senat zur alleinigen Verwendung. Demnach hatte ein Dictator mit jenen Geldern auszukommen, die ihm der Senat zubilligte. Die (fast) uneingeschränkte Amtsgewalt galt zudem nur für das italische Kernland - das er ja theoretisch retten sollte. Somit durfte sich ein Dictator nicht in eine römische Provinz oder gar das Ausland begeben. Hätte er es getan, wäre seine Diktatur mit dem Überschreiten der Grenzen erloschen.

Als äusseres Zeichen hatte er Anrecht auf die sella curulis (kurulischer Stuhl), die toga praetexta (purpurverbrämte Toga) sowie 24 Liktoren. Verwehrt war ihm hingegen zu Pferd in die Stadt einzureiten - wie es früher die römischen Könige getan hatten. Für dieses Privileg benötigtes er eine Abstimmung in den Volksversammlungen.

Aus alter Tradition heraus ernannte er mit dem magister equitum den Führer seiner Reiterei. Daran erkennt man, dass die Diktatur meist in kriegerischen Notsituationen Verwendung fand und aus diesem Grund heraus installiert worden war. Der Reiteroberst war nur dem Dictator unterstellt und er konnte ihn im Falle von Abwesenheit vertreten und dessen Anordnungen durchsetzen. Die eigenständige Machtfülle war dagegen begrenzt.

Die Diktatur hatte sich im Laufe der römischen Republik bewährt und zu Problemen kam es erst während der Punischen Kriege, als die Kriegsführung über Italien hinausgetragen werden sollte. Der in diesem Zusammenhang fatal zu Ende gegangene Afrikafeldzug führte zudem zu einem Überdenken von Sinn und Befugnissen eines Dictators. Noch bevor man sich jedoch über eine Reform der Diktatur einigen konnte, wurden angesichts des Einfalls Hannibals erneut Dictatoren berufen. Erst nach dem Ende des Zweiten Punischen Krieges ersetzte man die Diktatur durch das senatus consultum ultimum (Beschluss des Staatsnotstandes), das den Konsuln diktatorische Befugnisse einräumte.

Wieder aufgenommen wurde die Diktatur 82 v.Chr. durch Sulla in völlig neuem Gewand. Der Interrex Gaius Valerius Flaccus ernannte ihn auf Basis der lex Valeria () zum dictator legibus faciendis et rei publicae constituendae causa (Neuorganisation von Rechtswesen und Staat) mit der ausdrücklichen Zubilligung "so lange er wolle, bis er die Stadt, Italien und das ganze Reich, die durch Revolutionen und Kriege erschüttert waren, wieder gefestigt habe". Sulla nutzte die Machtbefugnis und führte zahlreiche Reformen durch, wobei er auch den Senat nicht ausnahm. 79 v.Chr. legte er sein Amt überraschend (wohl krankheitsbedingt) nieder und zog sich auf sein Landgut bei Puetoli zurück.

Der letzte Dictator Roms war Gaius Iulius Caesar, dessen Amt jedoch eine Mischung aus alter Verfassungstradition und sullanischer Neuerung darstellte. Seine erste Amtszeit war auf ein Jahr begrenzt, was er durch geschickte politische Manöver mehrfach hinausschieben und schliesslich auf zehn Jahre bringen konnte. Erst jetzt wagte er den Schritt zum dictator perpetuus (immerwährender Diktator). Diese dem Königtum ähnliche und der römischen Rechtsauffassung zuwiderlaufende Situation  war einer der Hauptgründe für die Ermordung Caesars.

Um künftigen Missbrauch zu vermeiden schaffte Marcus Antonius das Amt 44 v.Chr. mit seiner lex Antonia praktisch mit einem Federstrich ab. Nach dem Ende des römischen Bürgerkrieges und der Festigung der Macht des Augustus als Alleinherrscher wurde diesem die Dictatur als obligates Modell für die Herrschaft eines Einzelnen angeboten. Doch Augustus stützte sich auf andere legistische Herrschaftsinstrumente (etwa auf die potestas tribunica), welche die republikanischen Traditionen dem Schein nach wahrten und dennoch die Alleinherrschaft ermöglichten.

rombau.gif (22885 Byte)

Auch Rom wurde nicht an einem Tag erbaut.


Quellen: H.Pleticha & O.Schönberger "Die Römer", J.-C.Fredouille "", Lexikon der römischen Welt", F.M.Ausbüttel "Die Verwaltung des römischen Kaiserreiches", W.Eck "Die Verwaltung des römischen Reiches in der hohen Kaiserzeit", C.Scarre "Die römischen Kaiser", "Der kleine Pauly"; einige Ergänzungen wurden aus de. & en.wikipedia übernommen

 

Sie wollen Fragen stellen, Anregungen liefern oder sich beschweren?
Dann klicken Sie auf meine Kontaktseite!

(PL)