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 GEOGRAFIE | ||
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 zurück zu den | Provinz Germania inferior Wirtschaft & Gesellschaft Gepflasterte
          Strassen waren in Untergermanien auf Städte wie  Agrippina
          (Köln/D)
          beschränkt. Die Überlandstrassen entsprachen dem allgemeinen
          Standard römischer Strassenbaukunst. Sie waren geschottert, in der
          Mitte aufgewölbt und teilweise auf einem bis zu 1 m hohen Fahrdamm
          angelegt. Am Rand waren dann noch Treppelwege angebracht, auf denen
          etwa Herden getrieben wurden. Neben
          der römischen Meile wurde auch die gallische Leuga (2,22 km = 1,5
          Meilen) als Streckenmass verwendet, die sich seit  Septimius Severus
          endgültig in dieser Provinz durchsetzte. Ausgangspunkt für die
          Berechnungen der Meilensteine war meist  Agrippina (Köln/D). Die meisten
          erhalten gebliebenen Meilensteine fanden sich an der Strasse nach 
          Augusta Treverorum (Trier/D); fast alle zählten nach Leugen. Ab und zu
          wurden auch 1000 Doppelschritte angegeben. So etwa auf einer Säule
          des  Marcus Aurelius und des
           Lucius Verus aus dem Jahre 162, wo steht:
          
          A COL AGRIPP M P XXXIX (39.000 Doppelschritte von  Colonia
          Agrippina).
          Eine Rarität stellt ein achteckiger Leugenstein aus schwarzem Basalt
          da, dessen Reste man 1817 ergraben hat. Er listet alle Routen auf, die
          von Advatuca Tungrorum ausgingen; nennt dabei Zielpunkte und
          Entfernungen. Die
          Strassen wurden von zahlreichen Begleitbauten gesäumt, von denen
          jedoch nur sehr wenige ausgegraben werden konnten. Eine Statio samt
          Horreum (Getreidespeicher; hier für die Ablieferung für
          Naturalabgaben) ist bei Advatuca Tungrorum gefunden worden. Brücken
          sind sowohl inschriftlich als auch archäologisch bekannt. Das grösste
          derartige Bauwerk war die Rheinbrücke zwischen  Agrippina
          (Köln/D) und 
          Divitia (Köln-Deutz/D) mit über 400 m Länge und ca. 10 m Breite. Im
          Gegensatz zu allen anderen Brücken in Untergermanien, die aus Holz
          erbaut worden waren, bestand diese aus 19 Steinpfeilern mit hölzernem
          Oberbau. Erbaut wurde sie unter Kaiser  Konstantin 336. Die Bauzeit
          zuvor betrug mehrere Jahrzehnte. Die
          Wasserwege der Provinz hatten überragende Bedeutung, da die
          Frachtkosten zulande mehr als die Hälfte des Warenwertes ausmachen
          konnten. Uferbefestigungen und Kaianlagen wurden zahlreich ergraben
          und Treppelwege ausgemacht. Untergermanien hatte den Vorteil nicht nur
          über ein dichtes Flussverkehrsnetz, sondern auch Anschluss ans Meer
          zu besitzen. Die eindrucksvollste Kaianlage wurde bei Xanten
          freigelegt, wo sich einstmals ein schiffbarer Rheinarm befand. Der
          Hafen versorgte seit etwa dem Jahre 80 n.Chr. die Cugerni-Siedlungen. Wasserleitungen
          sind bislang nur für  Traiana (Xanten/D) und  Agrippina
          (Köln/D)
          nachgewiesen. Am bekanntesten ist die Eifelwasserleitung von den
          Bergen der Voreifel nach  Agrippina (Köln) durch ihre Länge von mehr
          als 100 km. Sie konnte bis zu 20.000 m³ Quellwasser pro Tag
          transportieren. 
 Eifelwasserleitung
          mit Einstiegsschacht bei Mechernich-Breitenbenden Aus
          wirtschaftlicher Sicht galt Untergermanien als entwicklungsfähiges
          Land an der Grenze. Gegenüber dem freien Germanien (wo nur der Handel
          als gewinnbringend galt) hatte es den Vorteil, dass sowohl Bodenschätze
          (wie Trachyt u.a. Steine) als auch Landwirtschaft und Viehzucht
          vorhanden waren. Plinius lobte etwa die Ubier für ihre Ackerbaukunst
          sowie die zahlreichen germanischen Gänse (Daunenproduktion). Zu
          Beginn musste noch vieles importiert werden, da die Siedlungen und
          Militärlager schneller wuchsen als die lokale Wirtschaft. Die Abhängigkeit
          von Gallien und Italien dürfte dann aber der Ansporn gewesen sein,
          den Bedarf aus eigener Produktion zu decken. Dies ging mit dem Ausbau
          der Verkehrswege einher. Nicht einmal ein Jahrhundert wurde benötigt,
          um die Importe massgeblich zurückzudrängen. In bescheidenem Umfang
          konnte sogar exportiert werden. Qualitätsprodukte wurden zwar nach
          wie vor importiert, doch konnten die lokalen Handwerker billiger
          produzieren und Waren aus Italien und entfernten gallischen Städten
          waren schon alleine der Frachtraten wegen teurer. 
 links: silberne
          Kasserolle, Neuss, 1.Jh.n.Chr. Ein
          wichtiger Bodenschatz war Blei, das im Auftrag des Statthalters durch
          die legio XVI und legio
          XIX gewonnen wurde. Zentren des Abbaus lagen
          zwischen Kommern, Mechernich und Keldenich in der Nordeifel. Auch
          beiderseits der Rur wurde fleissig geschürft. In der Nordeifel wurden
          zudem Rot- und Brauneisenstein im Tagebauverfahren gewonnen. Kupfer
          gab es in der Provinz keines, jedoch lagen Vorkommen rechts des Rheins
          bei Rheinbreitbach, wo Spuren römischen Abbaus gefunden wurden.
          Steinkohle gewann man zwischen Aaachen und Eschweiler. Die Kohle wurde
          einerseits in den Häusern verheizt, andererseits zum Aufkohlen des
          Eisens verwendet. Der Goldbergbau spielte nur eine geringe Rolle, etwa
          in der Hohen Venn westlich von Monschau/Eifel. Wichtiger war wohl das
          Rheingold, der schon damals als  aurifer (goldtragend) galt. Die
          Bauwirtschaft entwickelte für Untergermanien völlig neue Berufe, wie
          
          Architectus (Baumeister) und  Lapidarius (Steinmetz). Da anfangs noch
          keine Fachkräfte vor Ort zur Verfügung standen, zogen in den ersten
          Jahrzehnten zahlreiche Gallier zu, die bereits das hohe Niveau römischer
          Bau- und Mosaikkunst beherrschten. Die
          wichtigsten Baumaterialien (Grauwacke, Basalt, Trachyt und Tuff)
          wurden allesamt im Süden der Provinz gebrochen. Eine Ausnahme bildete
          der für Bauzwecke kaum verwendbare Kalksandstein am Liedberg bei Mönchengladbach.
          Das grobe Sedimentgestein Grauwacke fand man in der Nähe der
          Provinzhauptstadt gleich am Flussufer und wurde in grossen Mengen
          verschifft. Leicht gewinnbarer Säulenbasalt wurde in der
          Mittelrheinregion sowohl linkerseits als auch rechterseits des Rheins
          abgebaut. Das Vulkangestein Trachyt brach man am Drachenfels und am Rüdenet
          bei Königswinter. Das meistverwendete Baumaterial war Tuffgestein,
          welches im Brohltal und in der Pellenz nördlich und südlich des
          Laacher Sees in rauen Mengen gewonnen wurde. Importware bildete
          Jurakalkstein (beliebt wegen seines hellen und warmen Farbtons) aus
          der Gegend südlich von Metz und natürlich Marmor, der aus allen
          Winkeln des Reiches bezogen wurde. Auch
          an anderen Baumaterialien wie Holz, Kies und Sand bestand kein Mangel.
          In der Nordeifel gab und gibt es grosse Dolomitbänke, die eine
          industrielle Kalkgewinnung rentabel machten. 1966-69 wurde eine ganze 
          Calcaria (Kalkfabrik) ergraben und einer der Öfen konnte erfolgreich
          in Betrieb genommen werden. In der Antike werkten zahlreiche  Calcarii
          (Kalkbrenner), angehende Baumeister und Soldaten unter der Leitung
          eines  Magister calcariorum (Brennmeister). Bekanntlich
          mauerten die Römer gerne mit Ziegeln und wie überall anders auch
          standen die grössten  Tegularia (Ziegeleien) unter militärischer Führung.
          Neben den Legionsstandorten lag ein wichtiges Produktionszentrum auf
          dem Holdeurn südöstlich von Nijmegen/NL. Überwacht wurden die
          Arbeiten meist von einem  Magister Figulorum (Töpfermeister). Neben
          den Ziegeleien für die Grossbauten hatten auch viele Villen auf dem
          Lande ihr eigenen Hausziegeleien. Über die ganze Provinz verstreut
          fand man auch ganze Töpfereibezirke. In  Coriovallum (Heerlen/NL) fand
          man ein ganzes Töpferdorf, das Gebrauchsgeschirr für die Umgebung
          herstellte. Das
          Wirtschaftszentrum der Provinz war  Agrippina (Köln). Die dort ansässige
          keramische Industrie produzierte nicht nur für den lokalen Markt
          sondern auch für den Export. Bereits vor der Stadterhebung im
          1.Jh.n.Chr. gab es dort ein grosses und vielfältiges Angebot an
          Geschirr und Lampen. Mehr als 20 Öfen waren damals in Betrieb. Die
          anfangs noch dominierenden einheimischen Motive wurden mit der Zeit
          durch rein römisches Formengut verdrängt. Neben Gebrauchsgütern
          produzierte der Keramiksektor auch den Nachschub für einen
          ausgedehnten Devotionalienhandel mit kleinen Götterstatuetten. Auch
          die Herstellung von Theatermasken aus weissem Pfeifenton ist
          gesichert. Die agrippensischen Tonwaren erfreuten sich in der ganzen
          Provinz grosser Beliebtheit und im Export gelangten sie hauptsächlich
          nach Britannien. Der
          berühmteste Wirtschaftszweig war aber die Glasherstellung. Reiner
          Quarzsand wurde westlich von  Agrippina (Köln/D) in grossen Mengen
          gewonnen. Aufschwung nahm die Industrie mit der Erfindung des
          geblasenen Glases, das einige Jahrzehnte v.Chr. wahrscheinlich in
          Sidon (im Libanon) erstmals das Licht der Welt erblickte. Sand- und
          Tonkerntechnik sowie Formenpressung bei der Glaswarenproduktion traten
          ob dieser neuen Technik völlig in den Hintergrund. Zahlreiche 
          Vitriarii (Glasbläser) brachten besonders seit dem 2.Jh.n.Chr. eigene
          künstlerische Kreationen hervor. Nicht nur allerlei Formen und Schnörkel
          verzierten die Gläser, sondern auch der Glasschliff fand bereits
          Anwendung. Besonders augenscheinlich sind die sog. Diatretgläser,
          deren Netzmuster in aufwendigen Verfahren mittels kleiner Schleifrädchen
          herausgeschliffen wurden. Dass derartig Filigranes die Zeiten überdauert
          hat, grenzt schon an ein Wunder. Exportiert wurden sie in alle
          Regionen der Nord- aber auch Ostsee (freies Germanien). In
          Handwerk und Gewerbe war in Untergermanien der Familien- oder
          Kleinbetrieb vorherrschend. Bei erhöhter Nachfrage wurden die
          bestehenden Betriebe nicht erweitert, sondern es entstanden neue; dafür
          nahm die Spezialisierung und Arbeitsteilung zu. Die meisten Arbeiter
          waren Freie und keine Sklaven. Letztere waren teuer und deshalb in der
          vorherrschenden Produktion nicht wirtschaftlich verwendbar. Auf dem
          Land, fernab der Städte herrschte indes Selbstversorgung so gut es
          ging. Collegia (Berufsvereine) gab es zahlreich; nicht nur für produzierende Berufe wie Tignarii (Zimmerleute) oder Tectores (Verputzer), Händler sondern auch für weniger augenscheinliche Professionen wie die der Focarii (Küchenjungen). Als Sitz einer Schiffergilde ist Fectio (Bunnik-Vechten/NL) bekannt. Zu den angeseheneren Berufen gehörten Ärzte, unter denen besonders viele griechische Namen anzutreffen sind, und Scolastici, die sowohl Rhetoriklehrer als auch Rechtsanwälte sein konnten. Betrachtet man
          die Weihealtäre, so dominieren eindeutig die  Negotiatores (Händler
          & Kaufleute). Ein Zeichen dafür, dass es genug zu handeln gab,
          was Gewinn versprach. Ob es sich dabei um lokale oder Fernhändler
          handelte lässt sich heute bis auf wenige Ausnahmen kaum mehr
          erschliessen. Salben wurden etwa importiert, Wein dürfte lokal bzw.
          im angrenzenden Gallien gehandelt worden sein. Aber was ist mit
          Sarkophaghändlern? Auch Tonwaren wurden nicht nur lokal erzeugt und
          exportiert, sondern auch eingeführt. Manche Händler machten beides.
          Sie exportierten niedergermanische Tonwaren und importierten Terra
          sigillata aus der Region um Vichy in Gallien. Die
          wichtigsten Märkte ausserhalb der Provinz waren  Britannien und das
          freie Germanien. So gab es eigene  Negotiatores Britanniciani
          (Britannienkaufleute). Der Salzhandel war offenbar in  Agrippina (Köln)
          monopolisiert. Transferhandel dürfte es mit Wein, Salz und
          Fischsaucen gegeben haben. Besonders in spätrömischer Zeit er | 
 Kopfgefäss
          aus grünem Glas, Köln, 1./2.Jh.n.Chr. | |
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